-
8/10
Ausgezeichnet
Pixar-Look trifft Zelda-Spieldesign und Souls-Kampfsystem.
Mit “Kena: Bridge of Spirits” erschien im November einer der verheißungsvollsten Videospiel-Titel des Jahres.
Zuerst rein digital, ab dem 19. November 2021 auch physisch als “Deluxe Edition”, verschlägt es geneigte Abenteurer in ein verlassenes Dorf, um umherirrende Seelen zu segnen und schließlich den vom Schnee bedeckten, heiligen Bergschrein zu erreichen.
Was das Spiel für PlayStation 4, PlayStation 5 und PC zu bieten hat verraten wir, hoffentlich kurz und knackig, im Test.
Genre: Action-Adventure
Originaltitel: Kena: Bridge of Spirits
Produktionsland: USA
Entwicklerstudio | Publisher: Ember Lab | Sony Interactive Entertainment
Musik: Jason Gallaty
Spielmodus: Einzelspieler
Spielzeit: ca. 10 Stunden (Story), ca. 20 Stunden (100%)
Sprache: Englische Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln
Plattformen: PlayStation 4, PlayStation 5, PC (Stand: 03.11.2021)
Altersfreigabe: USK 12
Wertung:
Testplattform: PlayStation 5
Autor: Jannik
Verfasst am: 03.11.2021
Lesezeit: ca. 6 Minuten (Direkt zum Fazit)
Inhaltsverzeichnis
Reizende Enthüllung
Der erste Trailer zu “Kena: Bridge of Spirits” sah vielversprechend aus. Im Rahmen von Sonys Präsentation neuer Konsolen-Hardware, wurde der Titel, der optisch an die besten Animationsfilme erinnert und dessen balinesische Musik für epischen wohlklang sorgte, enthüllt. Und das höchstpersönlich von den Brüdern und leitenden Entwicklern Mike und Josh Grier des US-amerikanischen Studios Ember Lab.
Doch nicht nur was das Visuelle und die Musik, sondern auch was Kampfsystem und Weltenbau anging, brauchte sich der erste Happen durchaus nicht zu verstecken. Schnell machten Vergleiche mit Animationsstudio Pixar, der legendären Action-Adventure-Reihe “The Legend of Zelda” oder wegen des Kampfsystem auch mit der “Souls”-Reihe die Runde.
Mit “Kena” machte es den Anschein als erwarte uns ein Next-Gen-Spiel, was sich an den besten Versatzstücken bedient und daraus trotzdem etwas ganz Eigenes macht. Doch kann das Spiel diesen Erwartungen wirklich gerecht werden?
Handlung
Die putzigen Helferlein
In der Rolle der jungen Frau Kena landet Ihr geradewegs in einer anscheinend sehr spirituellen und natürlichen Welt, die von östlichen Schauplätzen wie Japan und Bali inspiriert wurde.[1]
Auf dem Weg in ein verlassenes Dorf stoßt Ihr direkt zu Beginn auf einen sehr mächtigen und bedrohlich wirkenden sowie maskierten Geist, der sich als Ursache für das teilweise von der dunklen “Verderbnis” gebeutelte Land herausstellt.
Wie Ihr wenig später vom Dorfältesten Zajuro erfahrt, wurde das Dorf von eben dieser Verderbnis heimgesucht und ist somit unbewohnt. Äcker liegen brach und es bleiben nur Erinnerungen.
Doch nicht alles ist zerfallen. Und es gibt Hoffnung. Im saftig grünen Wäldchen macht Ihr früh im Spiel Bekanntschaft mit den sogenannten “Rott” (engl. “Rot” für “verrotten”, vermutlich angelehnt an den natürlichen Zerfall). Diese Rott sind eine Art pummelige, kleine Waldgeister, die sich kuschelnd an eure Fersen heften und besondere Fähigkeiten verleihen. Zweifelsohne ein Highlight des Spiels.
Der Titel “Befriending Spirits” des offiziellen Soundtracks
Der “Spirit-Guide”
Kena selbst ist in der Welt von “Bridge of Spirits” eine sogenannte “Geisterführerin”. Geisterführer haben die Aufgabe diejenigen Geister, die ihren Weg in das nächste Leben nicht alleine beschreiten können, schlagkräftig unter die Arme zu greifen. Das natürlich mit einer gehörigen Portion spirituellem Fingerspitzengefühl.
Das klingt kompliziert ist aber eigentlich ganz einfach. Als Geisterführerin begegnen Kena im Verlauf des Spieles insgesamt drei irrgeleitete, rastlose Seelen mit den Namen Taro, Adira und Toshi. Diese manifestieren sich allesamt in Monstern, die Kena in Kämpfen auf dem rechten Pfad ins Jenseits leiten muss.
Spieldesign
Optik, Musik & Präsentation
Vor allem ausschlaggebend für unsere Neugier auf “Kena” war die wunderschöne Aufmachung. Als große Fans von Animationsfilmen war auch uns schnell der Vergleich mit der Animations-Schmiede präsent, die wie keine andere für Inhalt und Qualität steht, nämlich die “Pixar Animation Studios”. Und das ist kein Wunder …
Das Studio “Ember Lab” unter der Leitung der Brüder Mike und Josh Grier, hat seinen Ursprung als Studio mit dem Schwerpunkt auf Animation und Digitale Inhalte und öffnete im Jahr 2009 seine Pforten. Werbespots und Kurzfilme für namhafte Firmen gehören zum Portfolio.[2]
So erklärt es sich auch, dass sich “Bridge of Spirits” in einem betont aufwendigen Animations-Design zeigt und damit Charaktere, Geschöpfe, Monster und seine gesamte Welt im Glanz erstrahlen lässt. Hinzu gesellt sich eine wunderbare Musik die von Jason Gallaty in Zusammenarbeit mit Emiko Saraswati Susilo komponiert wurde und an balinesische Gamelan-Musik angelehnt ist.[3]
Nicht zuletzt die gesamte Präsentation des Spiels mit dem scheinbar übegeordneten Thema von Spiritualität, Leben und Tod sowie Zerfall und Erblühen, macht einen sinnbehafteten und sehr hochwertigen Eindruck. Es bleibt das Gefühl, dass ein gehöriger Aufwand für das Erstlingswerk von Ember Lab nötig war.
Mechaniken & Rätsel - Steine, Bomben, Pfeile, Köpfchen
Was das Spielerische angeht so findet man die Elemente von “Kena” im Genre des Action-Adventures und Third-Person-Videospielen vielfach vor. Und das ist nicht negativ gemeint, schließlich muss das Rad nicht immer neu erfunden werden.
In der Third-Person-Perspektive lauft Ihr mit eurem Charakter durch die Welt und vollführt Sprints, Sprünge und mit zunehmenden Fähigkeiten noch einiges mehr. Die Steuerung fühlt sich auf der PlayStation 5 sehr knackig an und die adaptiven Möglichkeiten des neuen “Dual Sense”-Controllers untermalen das Spielgeschehen, beispielsweise beim Spannen des Bogens. Auf der PlayStation 4 (Pro) können wir das Spiel hingegen überhaupt nicht empfehlen. Ein schreckliches Input-Lag und eine unterirdische Framerate verhageln hier den Spielspaß enorm.
Die Spielwelt gilt es außerdem nach den flauschigen Rott und Kisten abzugrasen. Mit zunehmenden Erfahrungspunkten und Rott, steigen auch die Fähigkeiten. An besonderen Punkten meditiert Ihr euch im “Ghost of Tsushima”-Style dauerhaft Lebensenergie dazu. Eure kleinen Begleiter stattet Ihr mit zuvor gesammelten Kopfbedeckungen aus, die Ihr daraufhin in Hutläden erwerben könnt.
Zusätzlich löst ihr Rätsel mithilfe eures Equipments und oder den Rott, die beispielsweise Statuen auf die geeigneten Stellen versetzen. Oder Ihr sprengt mit euren Bomben Steine auf, die für kurze Zeit den Weg eröffnen. Die Rätsel sind meist gut lösbar und im Spielverlauf flüssig eingebettet. Einige knackige Denkaufgaben fordern größere Aufmerksamtkeit, Beobachtungsgabe und damit etwas mehr Anstrengung. Das Spiel wirkt hier aber jederzeit ausgewogen. Große Ähnlichkeiten weißt “Kena” in dieser Disziplin mit der “The Legend of Zelda” Reihe auf. Und dieser Vergleich kann wohl als Kompliment verstanden werden.
Mit zunehmendem Abschluss der Geschichte und damit auch dem Erhalt von Fähigkeiten, weist “Kena” Elemente des Metroidvania-Genre auf. In der Spielwelt die zuerst wie eine Open-World wirkt, sich jedoch als recht linear herausstellt, kehrt Ihr immer wieder an bereits bekannte Orte wie etwa das Dorf zurück und könnt mit den neu erhaltenen Fähigkeiten kleinere und größere Geheimnisse lüften.
Die kleinen Rott verschieben nach Anweisung von Kena eine Statue
Mithilfe des Bogens und blau erstrahlenden Lotusblüten überquert ihr Hindernisse und Schluchten
Kampfsystem: Spaßiger, moderner Standard
Was das Kampfsystem angeht so ist “Kena” offensichtlich nach dem aktuellen, modernen Standard ausgerichtet, welcher durch den Erfolg der fordernden “Dark Souls”-Reihe bei Videospielen weit verbreitet wurde.
Das System zeichnet sich durch eine ausgeklügelte Balance aus, welche das Parieren und Ausweichen, verschiedene Pfeile und Waffen sowie kluges und geschicktes einsetzen der Fähigkeiten und Rott erfordert. Die Rott sind damit nicht nur thematisch innerhalb der Geschichte, sondern auch im Kampfsystem sinnvoll verankert. Das stellt eine Bindung her, mit der euch das Spiel später sogar auf die Probe stellt.
Achtsamkeit ist beim Kämpfen also Grundvoraussetzung und stupides Button-Mashen führt nicht zum Ziel. Je nach Schwierigkeitsgrad verzeiht “Kena” mehr oder weniger und kann somit auch richtig fordernd werden.
Zielgerichtetes Parieren ist eine Methode die Kontrolle über einen Kampf zu gewinnen
Der Titel “Kurulung” des offiziellen Soundtracks
Besonders gut gefallen haben uns die Endbosse. Diese sind nicht nur in ihrem Design abwechslungsreich, sondern auch in ihren Kampftechniken und Taktiken. Bewegungen und Aktionen wollen durchschaut und verstanden werden. Bei kleineren Gegnertypen gibt es ebenso genug Abwechslung. Alle Kreaturen haben besondere Eigenarten, die beim Kämpfen berücksichtigt werden müssen.
Das Kampfsystem gehört neben der optischen sowie muskalischen Inszenierung und den Rätseln zum absoluten Herzstück von “Kena”. Es macht enormen Spaß mithilfe von Karma-Punkten den Fähigkeitenbaum zu vervollständigen, um sich somit selbst immer mehr Freiheiten und Optionen in den Kämpfen zu ermöglichen und zu erarbeiten.
Vielfältige Möglichkeiten in den Kämpfen bringen enormen Spaß ins Spiel
Fazit - Optisch einladend, spielerisch einnehmend, erzählerisch Potential verschenkt
In “Kena: Bridge of Spirits” erwartet euch ein wunderschön gestaltetes Videospiel mit einem thematisch spirituellen Leitgedanken und einer gut verzahnten, spielerisch spaßbringenden Welt.
Das Erstlingswerk von Ember Lab macht sehr vieles richtig und wenig falsch. Warum es bei uns trotzdem nicht für eine höhere Bewertung gereicht hat, liegt an einem Hauptkritikpunkt.
Der Einstieg in das Spiel wirkt wie eine riesengroße, lang anhaltende Side-Quest. Es werden im Verlaufe viel zu wenige kleine Story-Elemente eingestreut und das abklappern der drei verirrten Seelen, kann die eigentlich zugrundeliegende, spirituell angehauchte Geschichte nicht tragen. Es fehlt eine wendungsreiche, gut auserzählte Handlung, die als Anker genauso vereinnahmen kann, wie die Optik und das Kampfsystem. Das trennt “Bridge of Spirits” von einem ausgezeichneten zu einem wirklich herausragenden Spiel.
Ob das Spiel den Erwartungen gerecht werden kann liegt also wie immer an der Erwartungshaltung. Wer eine perfekt auserzählte Geschichte in epischem Umfang erwartet, könnte zumindest in diesem Punkt etwas enttäuscht werden, denn “Kena” wirkt weniger von der Geschichte angetrieben als vom Gameplay selbst. Trotzdem sei fairerweise gesagt, dass die drei Geschichten ansich im Gesamtkonzept des Spiels ziemlich stimmig erscheinen, teilweise sogar starke Emotionen wecken können. Sie funktionieren nur eben nicht als Ganzes!
Wer ein visuell beeindruckendes Abenteuer mit hoher Produktionsqualität und einem fordernden, zeitgemäßen Kampfsystem genießen will, mit einer schönen Balance aus Kämpfen und Rätseln, der wird mit “Kena: Bridge of Spirits” definitiv auf seine Kosten kommen!
Was haltet Ihr von der Geisterführerin und ihren flauschigen Helferlein? Teilt eure Gedanken zu “Kena: Bridge of Spirits” mit uns in der Kommentarsektion! Wir würden uns freuen. Und die Rott bestimmt auch.
Trailer
Der offizielle Ankündigungs-Trailer zu “Kena: Bridge of Spirits”